GooglePlus – nichts oder etwas Besonderes?

Viele, viele Artikel sind in den ersten 48 Stunden zum brandneuen Social Network von Google geschrieben worden. Den meisten fällt nichts Besseres ein als irgendeine Variation von „Angriff auf Facebook“ für den Titel oder Aufmacher zu verwenden. Der gemeine Wirtschaftsteil-Zeitungsleser versteht offenbar keine andere Sprache als „wer will wen fressen“. Ohne Zweifel möchte Google in den Markt eindringen, der gegenwärtig von Facebook dominiert wird. Allerdings gibt es derzeit auf Google+ noch gar keine social-sensitive (auch keine kontext-sensitive und nicht mal sonst igendwelche) Werbung, was die vom Marketing her denkenden Beobachter wohl durch die Bank vergessen haben zu erwähnen. Jedenfalls ist die fehlende Werbung finde ich Grund genug, Google+ erst mal nicht aus Marketing-Sicht zu betrachten, sondern ausschließlich aus konzeptioneller Sicht.

Obwohl ich in der Vergangenheit so einiges zu möglichen Google-Plänen für ein Social Network geschrieben habe (z.B. Eine Prognose für das Social Network von Google), war mir nicht danach, beim Bekanntwerden der Nachricht, dass Google nun tatsächlich ein solches Network gelauncht hat, gleich in die Trompete zu blasen. Auch als ich am nächsten Vormittag erfreulicherweise bereits die erforderliche Einladung erhielt, um an der Beta-Phase teilzunehmen, wollte ich nicht gleich, während ich meine ersten Gehversuche auf der Plattform machte, darüber schreiben. Ich wollte es einfach erst mal ein wenig nutzen und „wirken lassen“.

Mittlerweile sind der erste und der zweite Lebenstag im neuen Netzwerk vorbei. Ich folge fast 200 Leuten, und weit über 300 Leute folgen mir. Die Timeline ist bestens gefüllt, und viele der Early Adaptors sprühen erst mal vor Aktivität. Das wird sich vermutlich in nächster Zeit legen. Dann wird sich zeigen, wer da bleibt, aktiv Inhalte beiträgt und das Network zu einem echten Netzwerk macht. Zumindest so viel lässt sich sagen: die Chancen stehen diesmal deutlich besser als im Februar 2010, als der GoogleMail-Social-Ergänzungsservice Buzz gelauncht wurde. Während Buzz beim Start viel Verwirrung, Kritik und Kopfschütteln auslöste, sind die Stimmen bei Google+ fast durchweg positiv, nicht wenige sogar voll des Lobes.

Bis jedoch fundiertere Bemerkungen zum Erfolg und zur Nutzung möglich sind, möchte ich lieber erst einmal etwas über die Konzepte von Google+ schreiben und ein paar Ideen dazu äußern, wie man diese Konzepte sinnvoll nutzen kann.

Die Sache mit den Kreisen (Circles)

Obwohl die Standard-Ansicht des Google-Network für Facebook-User eigentlich sehr vertraut ist, ist das Erste, was man als erfolgreich eingeloggter Neu-User auf Google+ zu sehen bekommt, doch sehr neu und ungewohnt: nämlich die sogenannte Circles-Ansicht. Die gibt es in dieser Form in Facebook, LinkedIn, Xing, MySpace oder StudiVZ nicht. Zwar lassen sich „Freunde“ auf Facebook ebenfalls in Listen (Gruppen) organisieren. Doch bei Facebook ist diese Funktion so unauffällig implementiert, dass sie kaum genutzt wird. Konzeptionell vergleichbar ist in dieser Hinsicht nur das OpenSource-Netzwerk Diaspora, das eine ähnlich starke Betonung verschiedener Lebensbereiche und Kontaktformen kennt. Dort werden sie als Aspekte bezeichnet.

In der Circles-Ansicht von Google+ kann man Benutzer auswählen oder suchen und diese in persönliche „Schubladen“ einordnen. Diese Schubladen werden optisch ansprechend als Kreise (circles) visualisiert. Man kann gefundene User einem oder beliebig vielen persönlichen Kreisen zuordnen. Ein paar typische Kreise wie „Freunde“, „Bekannte“, „Familie“ usw. sind beim Einstieg bereits vorhanden. Man kann beliebig neue Kreise hinzufügen, ändern oder entfernen. In der oberen Fensterhälfte werden gefundene User angezeigt, in der unteren die Circles. Durch einfaches Ziehen eines oben angezeigten Users mit der Maus in einen Circle wird der User hinzugefügt. Es ist keineswegs verboten und organisatorisch oft sogar sinnvoll, einen User mehr als einem Kreis zuzuordnen (dazu weiter unten noch mehr):

Die Kreise von Google+: Intuitiv bedienbar, doch ein mächtiges Werkzeug, dessen richtiger Einsatz möglicherweise einiges an Überlegungen erfordert.

Die Namen der User im oberen Bereich öffnen beim Überfahren mit der Maus einen Tooltipp, der wiederum eine anklickbare Version des Namens enthält. Die Links führen zu den Profilseiten der entsprechenden User. Dort bekommt man neben dem Profilbild allerdings nur das zu sehen, was die Profil-Inhaber als öffentlich zugänglich definiert haben:

Die neuen Profilseiten von Google: Die neuen Profilseiten von Google
Die alten Profilseiten gibt es nicht mehr. Die neuen sind Teil von Google+ und vereinen Postings aus Google+, hochgeladene Bilder, Videos, für gut befundene Web-Inhalte („+1“) und derzeit noch Postings von Google Buzz.

Eines sollte man sich bei der Sache mit den Kreisen grundsätzlich überlegen: nämlich ob man die Circles überhaupt nutzen möchte oder nicht. Das mündet in die Frage, wie man Google+ letztlich nutzen möchte. Typische Power-User der Webszene neigen dazu, die meisten Inhalte einem möglichst breiten Publikum zugänglich zu machen. Das ist in Google+ problemlos möglich. Eigene Status-Beiträge lassen sich nicht nur an einen oder beliebig viele eigene Circles senden, sondern auch an einen Pseudo-Circle namens öffentlich. Und damit ist wirklich das offene, weite Web gemeint, und nicht etwa nur die begrenzte Sphäre aller registrierten Google+-User. Als öffentlich deklarierte Beiträge sind über eine eigene URL-Adresse erreichbar. Da Postings bei Google+ keine Längenbegrenzung kennen, könnte so mancher Side-Blogger bei Posterous oder Tumblr sich überlegen, ob er nicht lieber gleich via Google+ publizieren sollte. Für Networker, die vor allem öffentlich wirken wollen, empfiehlt es sich, einen Circle für alle User anzulegen, denen man folgen möchte, z.B. einen Circle namens Alle. In diesen Circle zieht man dann alle User, denen man folgen möchte.

Google+ bedient aber auch das umgekehrte Bedürfnis: Austausch jenseits von E-Mail ja, aber nur in sehr begrenztem Maße und möglichst kontrolliert. Die Circles-Ansicht sagt leider nicht explizit, was sie eigentlich meint: „Bilde nicht nur dein reales Leben ab! Sei ganz hemmungslos und steck deine Kontakte in Schubladen, die du immer schon dafür gewünscht hast. Niemand außer dir kann sehen, wen du in welche Schublade gesteckt hast. Scheu dich also nicht, auch Schubladen wie Dummschwätzer oder Nur-mit-Kneifzange einzurichten!“ Im Regelfall einen Kreis für web-aktive Arbeitskollegen vielleicht, einen für den erweiterten Familien-Klan, einen für den ganz realen Dorf-Tratsch, einen für die Vereinsmitstreiter, und einen „Ouh-la-la“-Kreis. Das wirkt erst mal alles sehr abstrakt. Um User in eine oder mehrere geeignete Schubladen zu stecken, muss man sich einfach in Gedanken vorstellen, eine Status-Meldung zu posten. Etwa einen Hochzeitsgruß an die entfernte Cousine dritten Grades. Das betrifft den Familien-Klan-Kreis, aber nicht die Berufskollegen. Ein andermal möchte man vielleicht lieber einen soeben entdeckten, fundierten Fachartikel über konkurrierende Weichmacher-Techniken bei Kinderspielzeug teilen, weil man in der Chemie-Branche für solche Weichmacher-Techniken beschäftigt ist: das geht die Berufskollegen an. Das sind alles klare Zuordnungsfälle. Leider ist das Leben jedoch komplexer und hält sich nicht an bestimmte Schubladen. Angenommen, man regt sich persönlich sehr über die Rodung des Regenwaldes für die Interessen von McDonalds auf, oder darüber, dass Stefan Raab im Alleingang bestimmt, wer aus deutscher Sicht am European Song Contest teilnimmt. Das interessiert villeicht einige Familienmitglieder, einige Vereinskollegen, und einige Berufskollegen. In diesem Fall beginnt das Wagnis, eine solche Status-Meldung an all diese Circles zu senden, auch auf die Gefahr hin, bei einigen andersdenkenden Circle-Usern böse anzuecken. Wenn man vorhat, sich auch mal non-konform zu äußern, kann man sich aber auch mit der Definition geeigneter Spezial-Circles helfen. Zum Beispiel mit Circles wie Regenwald-Abholzungs-Gegner oder Nie-wieder-Raab-Lena-Kult. Dort kann man genau die User einordnen, die als Zielgruppe für Gedanken dieser Art in Frage kommen. Das ist zwar ein wenig Einrichtungsarbeit, aber dafür kann man extrem zielgruppengerecht posten. Eine Option, die vor allem auch für den Business-Bereich interessant ist.

Bei jedem Beitrag, den man in Google+ postet, kann man genau festlegen, an welchen oder welche Benutzer(kreis(e)) das Posting gehen soll:

  • an einen bestimmten Benutzer: (das ist die Privatnachrichtenfunktion innerhalb von Google+, sie ist gewissermaßen einfach ein Spezialfall für Statusmeldungen). Dazu einfach im Adressierungsfeld den Namen des Benutzers tippen. Beim Tippen werden sofort Vorschläge angeboten. Einfach den gewünschten User auswählen. So wird der ausgewählte User zum Nachrichtenempfänger.
  • an mehrere bestimmte Benutzer: dazu einfach die zuvor beschriebene Prozedur mehrmals wiederholen.
  • an einen bestimmten Kreis (Circle): dazu einfach den Link Kreise oder Personen hinzufügen oder Weitere … hinzufügen anklicken. Eine Liste mit den definierten Kreisen wird angeboten. Einfach den gewünschten Kreis auswählen.
  • an mehrere bestimmte Kreise: dazu einfach die zuvor beschriebene Prozedur mehrmals wiederholen.
  • an alle eigenen Kreise: dazu einfach den entsprechenden Eintrag aus der Liste auswählen.
  • an erweiterte Kreise: auch dazu einfach den entsprechenden Eintrag aus der Liste auswählen. Dann geht das Posting auch an alle User, die Usern folgen, die einem selbst folgen.
  • an die Öffentlichkeit: auch dazu einfach den entsprechenden Eintrag (öffentlich) aus der Liste wählen. Das Posting ist dann innerhalb von Google+ für alle in der Timeline sichtbar, die einem folgen. Darüber hinaus ist es auf der eigenen Profilseite jedoch auch öffentlich im Web sichtbar (auch für User ohne Google+), mitsamt aller Kommentare.
  • an beliebige Kombinationen: also beispielsweise an einen bestimmten Kreis und zwei zusätzliche bestimmte Benutzer.
  • an beliebige E-Mailadressen: dazu im nachfolgenden Abschnitt mehr.
Beiträge posten – eine leistungsstarke Funktion: Beiträge bestehen wahlweise aus reinem Text oder Text plus einem Bild, Text plus einem Video, Text plus einem Link (inklusive möglicher Grafik aus der verlinkten Zielseite) oder aus Text plus einer persönlichen Standortermittlung („ich halte mich gerade hier und da auf“) mittels Geolocation.

Freiwillige Vernetzung statt bidirektionaler Freundschaften

Das Hinzufügen anderer User zu eigenen Kreisen bedeutet lediglich, dass man künftig selber in der eigenen Timeline alles mitbekommt, was diese anderen User mit einem teilen. Umgekehrt ist das jedoch nicht so. Die anderen User erhalten lediglich eine Benachrichtigung darüber, dass man sie zu eigenen Kreisen (aber nicht, zu welchen Kreisen!) hinzugefügt hat. Es ist jedoch anders als bei Facebook keine Freundschaftsbestätigung erforderlich. Die Vernetzung funktioniert also nach dem reinen Follower-Prinzip, so wie bei Twitter. Das mag auf den ersten Blick kein gewaltiger Unterschied sein, doch in Wirklichkeit steckt dahinter eine völlig andere Vernetzungsphilosophie. Der Blogger Mario Sixtus hat das in einem Artikel herausgearbeitet und als asymmetrische Vernetzung bezeichnet. Diese Art der Vernetzung ist wesentlich web-typischer als die symmetrische und stets bidirektionale „Freundschafts“-Vernetzung bei Facebook, Xing oder vielen anderen Networking-Plattformen. Auch Hyperlinks im Web zeigen stets in eine Richtung, ohne auf der Zielseite automatisch einen Rückverweis zu generieren (Ausnahme: Trackbacks).

Überhaupt bemüht sich Google+ deutlich, nach außen hin offener zu sein als Facebook. So kann man in seine persönlichen Kreise auch User aufnehmen, die Google+ gar nicht nutzen. Es genügt, wenn man sie in seinen Google-Kontakten innerhalb von GoogleMail mit einer gültigen E-Mail-Adresse (die keine GoogleMail-Adresse sein muss) angelegt hat. Dann werden sie als Personen angeboten, die man in seine Circles ziehen kann. Sendet man nun ein Posting an einen Circle, erhalten User, die nicht bei Google+ sind, das Posting als E-Mail. Ferner ist es möglich, Postings auch direkt an beliebige E-Mail-Adressen zu senden. Dazu einfach in der bereits weiter oben beschriebenen Adressierungszeile eine gültige E-Mail-Adresse eingeben und die Eingabe mit der [Tabulator]-Taste abschließen. Das Posting wird damit zu einer E-Mail an den entsprechenden Empfänger. Solche E-Mails sind allerdings eine Einweg-Kommunikation, d.h. die Empfänger können nicht direkt darauf antworten. Wenn ihre Antworten als Kommentare zum Posting erscheinen sollen, müssen sie selbst bei bei GooglePlus anmelden. Dazu bietet Google in den so versendeten Mails die direkte Möglichkeit an.

Timeline mit Extras

Die Standard-Ansicht von Google+ orientiert sich an dem Timeline-Paradigma, das gegenwärtig alle nennenswerten Social Networks einsetzen. Der zentrale Inhalt besteht also aus Beiträgen von anderen Usern, denen man selbst folgt, genauer, aus Beiträgen, zu deren Empfängern man gehört. In der Navigation links lässt sich die Timeline auf Kreise reduzieren. So kann man beispielsweise mit einem Klick das Netzrauschen der Timeline auf Beiträge enger Vertrauter reduzieren.

Das Timeline-Paradigma herrscht auch bei Google+: Postings erscheinen allerdings nicht stur absteigend nach Zeitpunkt sortiert, sondern ähnlich wie bei Google Buzz absteigend nach dem Zeitpunkt des neuesten Kommentars. Dadurch verändern sich auch die Positionen der Beiträge laufend, was für weniger geübte User sicher erst mal verwirrend ist.

Neben der Timeline bietet Google+ allerdings schon jetzt einige Zusatzfunktionen an, die es in dieser Form in anderen Netzwerken nicht gibt. So etwa der Bereich Sparks. Diesen Bereich muss man sich man sich als eine Art Google Alerts innerhalb der Networking-Oberfläche vorstellen. Man definiert sich Stichwörter, die einen interessieren, und erhält einen automatischen News-Stream. Dieser besteht vor allem aus Links zu „relevanten“ Zeitungs- und Magazin-Artikeln. Gedacht ist die Funktion einerseits zur schnellen Recherche für SocialMedia-News-Verbreiter. Aber auch für Einsteiger, die noch nicht so viele Kontakte haben und deren Timeline folglich noch nicht sehr abwechselungsreich ist, sind die Sparks ein Abwechselungsfaktor. Die Sparks sind links in der Navigation erreichbar, unterhalb der eigenen Kreise.

Sparks – der News- und Input-Service von Google+: Zu frei definierbaren Stichwörtern werden aktuelle Links zu Zeitschriften- und Magazinartikel zum Thema angeboten. In diesem Bereich spielt Google natürlich seine Macht als Suchmaschine voll aus.

Als aufregendstes neues Feature wird jedoch von vielen Usern die sogenannte Hangout-Funktion gewertet. Das ist eine Video-Chat-Funktion für bis zu 10 User. Gleichzeitig kann noch ein YouTube-Video angezeigt werden. Überflüssig zu sagen, dass diese Funktion nur für sehr breitbandige Internetanschlüsse geeignet ist. Mit der von der Bundesregierung propagierten 1-MBit-Standardversorgung kommt man bei Hangout jedenfalls nicht weit. Ferner wird eine Webcam benötigt. Da diese vor allem bei Notebooks seit Jahren zur eingebauten Standardausrüstung gehören, ist diese Hardware-Voraussetzung jedoch bei vielen Usern erfüllt. Software-seitig ist außerdem noch das GoogleTalk-Video-Plugin erforderlich. Das lässt sich jedoch gegebenenfalls automatisch nachinstallieren – es ist für Windows, Mac und Linux verfügbar.

Wer sich langweilt, startet einfach eine Hangout-Sitzung und kann die Benutzer, die ihm folgen, darüber informieren. Um einen eigenen Hangout zu starten, steht rechts von der Timeline eine Schaltfläche Hangout starten zur Verfügung. Wer Zeit und Lust hat, kann sich in die Hangout-Sitzung einklinken. Über von anderen gestartete Hangouts erfährt man innerhalb der Timeline und hat dort die Möglichkeit, der Hangout-Sitzung beizutreten. So kann man zu zweit oder mit mehreren Leuten gleichzeitig „abhängen“. Nur den chilligen Ibiza-Strandbar-Sound hat Google noch nicht eingebaut. Das Hangout-Feature ist aber nicht nur zum Abhängen da, sondern auch für realitätsnahe Online-Meetings interessant. Google hat mit Hangout tief in eine wichtige Business-Kerbe von Skype geschlagen. Und Facebook reagiert anscheinend panisch besorgt mit einer Integration der Video-Chat-Funktion von Skype.

Startvorgang eines Hangouts: Das Handling ist intuitiv, und Google bemüht sich, für ein Lächeln zu sorgen.

Schon weitaus selbstverständlicher, ressourcenfreundlicher und gewohnter als Hangout ist für viele User die normale Chat-Funktion. Diese ist weitgehend der von Facebook nachempfunden. Etwas undurchsichtig ist derzeit noch, welche Kontakte überhaupt als chat-fähige Kontakte angeboten werden. Der Grund dafür ist, dass die Chat-Funktionalität über Google Talk (Hinweis: Dienst ist mittlerweile eingestellt, Link führt zu Google Hangouts) realisiert ist. Es werden nur Chat-Partner angeboten, für die in den Google-Kontakten von GoogleMail eine E-Mail-Adresse (und zwar die GoogleMail-Adresse) eingetragen ist. Eine Besonderheit beim Chat ist jedoch die sogenannte Huddle-Funktion. Diese ermöglicht es, mit einen ganzen Circle gleichzeitig zu chatten, also Circles zu Chaträumen zu machen.

Integration, APIs und all das, was Facebook so beliebt gemacht hat

Gegenwärtig ist Google+ nur etwas für Vernetzungs-Puristen. Es bietet Networking und Teilen von Inhalten auf bislang höchstem Niveau, aber man kann bislang weder lustige Herzen versenden noch virtuelle Schafe züchten. Es gibt noch keine Fan-Seiten der Sorte „Wir-wollen-Guttenberg-zurück“ und keine Branding-Seiten für Markengläubige. Doch letztere sind genau das, was Google bereits angekündigt hat. Denn Google ist klar, dass ein reines Network ohne den ganzen Klimbim, der Facebook berühmt gemacht hat, heute nicht mehr ausreicht. Gerade um Unternehmen und damit potentielle Werbekunden zu binden, sind Network-Präsenzen jenseits persönlicher Profile erforderlich.

Eine dokumentierte Programmierschnittstelle (API) gibt es bislang auch noch nicht für Google+, und folglich auch noch keine „Apps“. Es ist allerdings sicher, dass früher oder später eine solche Schnitstelle eingeführt wird. Bereits jetzt können sich interessierte Entwickler registrieren. Irgendwann wird es dann wohl auch Geburtstagsherzen und Zynga-Schafe auf Google+ geben. Dennoch ist fraglich, ob Google+ jemals die Normalbürger-Akzeptanz von Facebook erreichen wird. Möglicherweise wird es eher zum Netzwerk für netzaffine Menschen, für Geeks und Nerds und Digerati. Denn die sind ohnehin die treueste Google-Klientel. Die sehr aufgeräumte, moderne, von einem Apple-Designer entworfene Oberfläche von Google+, die Google mittlerweile auch für andere Anwendungen übernimmt, spricht nicht unbedingt alle Teenies und Omis an. Das würde aber im Umkehrschluss bedeuten, dass bei Facebook weitgehend die „Intellektuellen“ abwandern. Doch all das gehört wieder zu den Prognosen, für die es im Augenblick einfach noch zu früh ist.

Die echte Alternative bleibt Diaspora

Eines haben Google+ und Facebook bei aller Konkurrenz jedoch gemeinsam: es sind beides Angebote großer Unternehmen. Alle von den Benutzern produzierten Daten werden auf unternehmenseigenen Serverfarmen gespeichert. Wer prinzipielle Einwände gegen diese Form hat, eigene Daten im Netz zu hinterlassen, wird bei Google+ genauso enthaltsam bleiben wie bei Facebook. In diesem Fall bleibt das dezentral organisierte OpenSource-Network Diaspora die gegenwärtig sinnvollste Alternative (siehe dazu auch meinen älteren Artikel Erste Erfahrungen mit Diaspora).

Und wie kommt man nun an Google+? Und was ist mit Google-Apps-Usern?

Derzeit haben Benutzer von Google Apps noch keine Möglichkeit, Google+ zu nutzen. Google hat jedoch angekündigt, dass Google+ auf jeden Fall auch für Apps-User zur Verfügung gestellt werden soll. Es steht natürlich jedem Benutzer frei, sich bis dahin einen normalen Google-Account einzurichten. Um in der geschlossenen Beta-Phase an Google+ teilnehmen zu können, muss man jedoch von einem existierenden Google+-Benutzer explizit eingeladen werden. Der offizielle Einladen-Button wurde jedoch von Google vorläufig wieder kassiert, da es anfangs offenbar zu schnell voran ging mit dem gezielten Fluten der Benutzermassen. Es genügt aber in der Regel, ein Posting an eine @gmail.com- oder @googlemail.com-Adresse zu senden, um den entsprechenden Empfänger zu befähigen, ins Network einzutreten.