Musikalisch ist das schon eher extremistisch. Rein kategorial gehört es zur sogenannten „Minimal Music“, die durchaus faszinierende und gut hörbare Werke hervorgebracht hat, vor allem durch den genialen Komponisten Philip Glass (Koyaanisqatsi-Soundtrack u.a.). Kollege Steve Reich ist da etwas radikaler und probiert auch Dinge aus, die den Zuhörer schon mal „strapazieren“. Vor allem in den wilden 60ern, wo musikalisch wahrscheinlich so viel experimentiert wurde wie nie zuvor und nie danach. Aus dieser Zeit stammt Reichs „Piano Phase“.
Warum ich es aber erwähne, hat einen anderen Grund. Das unten im YouTube-Video zu „sehende“ und zu hörende „Piano Phase“ wurde unlängst in der Kölner Philharmonie zur Aufführung gebracht. Und dabei passierte etwas Neuartiges in diesen Kreisen. Normalerweise hält der klassische Konzertbesucher einfach den Mund, wenn ihm etwas nicht gefällt, und sitzt es ehrenvoll aus. Am Ende kann man ja durch betont laues Klatschen kund tun, was man von der Darbietung hält. Doch Steve Reich hat es geschafft, das Kölner Klassik-Publikum mit „Piano Phase“ zum Pöbel werden zu lassen:
Schließlich, als der Künstler fünf, sechs Minuten des original 16 Minuten langen Stücks absolviert hatte, erzwangen Lachen, Klatschen, Pfeifen und andere Geräusche des Missfallens den Abbruch der Darbietung.
Zitat aus Kölner Stadtanzeiger (01.03.2016):
Konzert in der Kölner Philharmonie abgebrochen: „Reden Sie doch gefälligst Deutsch!“
Interessant ist dabei auch, dass dieser Kulturpöbel offenbar schon unerfreut darüber war, dass die verbale Einführung zu dem Stück in englischer Sprache war. Es sieht also danach aus, dass wir allmählich auch braune Bildungsbürger bekommen: alles muss deutsch sein, und was nicht „eingängig“ ist, ist „entartet“.