Schwieriges Fremdwort. Aber Menschen suchen halt immer gern nach Möglichkeiten, um Phänomene durch das Pressen in möglichst passende Worte als solche begreifbar zu machen. Identitarismus ist die Theoretisierung des schon etwas bekannteren Wortes „identitär“. Aber auch das ist noch nicht so bekannt wie „identisch“ . Als identitär werden betonte Gruppen-, Herkunfts- und Zugehörigkeitsgefühle bezeichnet.
Das Schöne an diesem Begriff ist, dass er so wunderbar unverbraucht ist. Deshalb benutzen ihn viele sehr gern, um damit ihre geistige Reflektiertheit, also ihr bewusstes Zugehörigkeitsgefühl zu betonen. Und tatsächlich – niemand denkt dabei gleich an Nationalismus, Fremdenhass oder Progrome. Identitär ist einfach der gefühlige, politisch korrekte Neusprech für Heimatverbundenheit, favorisierten Fußballverein und diverse Verlustängste.
Das Problem ist nur: es läuft letztlich doch wieder alles darauf hinaus – auf Abgrenzung, Hass, Gut-Böse-Unterscheidung – und im Endstadium des Eigenrauschs auf den Wunsch der totalen Vernichtung alles Anderen. Identitäre Bewegungen haben derzeit Konjunktur – nicht nur in Deutschland. Der nachfolgend verlinkte Artikel beschreibt die österreichische Sicht der Dinge. Und gerade deswegen ist er wichtig für die Deutschen. Eben weil er Ähnliches beschreibt – aber eben nur Ähnliches. Der kleine Unterschied im Ähnlichen ist nämlich das Entscheidende. Wer das Andere im Ähnlichen anerkennt, ist auf dem besten Weg zum gesunden Relativismus. Und genau der ist sozusagen der Impfstoff gegen gefährlichen Identitarismus.
Wir-Versuche: Über das brandgefährliche Konzept der Identität
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Edith Meinhart über das brandgefährliche Konzept der Identität