Anruf gestern von einer freundlichen Dame von der hier ortsüblichen Zeitung „Die Rheinpfalz“. Sie kündigte an, dass wir demnächst vierzehn Tage lang die Tageszeitung umsonst erhalten werden, ohne weitere Verpflichtung. Aha, kostenlos angeliefertes Altpapier also, dachte ich. Und überlegte noch schnell, ob es nicht vielleicht doch eine Verwendungsmöglichkeit für diese Ware gibt, vielleicht für ein Pappmaché-Bastelprojekt der Kinder.
Da fragte mich die Dame am Telefon, ob ich ihr kurz noch zwei Fragen beantworten könne. Klar doch. Sie fragte mich, wie ich meine Zeitung lese. Ich antwortete wahrheitsgemäß, dass ich nicht eine Zeitung lese, sondern viele, und auch nicht nur Zeitungen, sondern auch andere Newsquellen. Und dass ich sie im Feedreader am PC oder am Tablet lese. Das schien die Dame am anderen Ende der Leitung sichtlich zu treffen. Entsprechend trauriger weil eigentlich überflüssig stellte sie ihre zweite Frage, die lautete, ob ich mir auch in Zukunft noch eine gedruckte Zeitung vorstellen könne. Nein, sagte ich abermals meiner Überzeugung entsprechend, das Ende der gedruckten Zeitung sei meines Erachtens sicher, und es würde auch nicht mehr lange dauern bis dahin.
Mir ist klar, dass die Dame am Telefon wohl deshalb so traurig wirkte, weil sie vermutlich immer häufiger solche Antworten erhält, und weil sie womöglich jede dieser Antworten als Sargnagel auf ihrem Arbeitsplatz empfindet. Immerhin, Trost findet sie auf jeden Fall noch beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e.V. (BDZV). Dort sieht man die Sache anders – und auf den ersten Blick „differenzierter“. Die Daten und Fakten zur wirtschaftlichen Lage der Zeitungen in Deutschland 2013 zeichnen jedenfalls ein komplexes Bild, in dem nichts auf das baldige Verschwinden gedruckter Zeitungen hinweist.
Was dort jedoch verschwiegen wird, im Alltag aber gut beobachtbar ist, ist der kulturpraktische Bruch, der gegenwärtig durch die Gesellschaft geht. Bei der Oma meiner Kinder liegt die gedruckte Tageszeitung stets auf dem Tisch, und die Oma guckt da auch täglich rein. Aber ich habe noch keines der mir bekannten Kinder je einen Blick da reinwerfen sehen. Auch die über 14jährigen nicht, von denen in den oben verlinkten Daten und Fakten immer wieder die Rede ist. Und bei uns, also den „mittleren Generationen“, geht der Bruch oftmals mitten durch die einzelnen Menschen hindurch. Viele sind zwar längst voll digitalisiert, und das Smartphone wird immer häufiger gezückt. Doch ihr altes Druckzeitungs-Abo haben sie nie gekündigt, weil das ebenso unerschütterlich zum erlernten Leben gehört wie der Diesel vor der Tür oder Meyers Lexikon im Wohnzimmerschrank. Und wegen der Todesanzeigen.
So gesehen könnte es durchaus noch ein paar Jahrzehnte dauern, bis nur noch Menschen leben, in deren Alltag die gedruckte Tageszeitung nie eine Kulturpraktik war. Das hätte ich der Dame am Telefon vielleicht noch sagen sollen. Denn bis dahin ist sie höchstwahrscheinlich in Rente.